35 Jahre Einheit

Veröffentlicht am 3. Oktober 2025 um 08:20

Leserbrief aus dem Internet zum Tag der Deutschen Einheit

"Vor 35 Jahren war ich 24 Jahre alt und nicht wirklich am Zusammenschluss der beiden Hälften Deutschlands interessiert. Zu viel trennte uns – politisch vor allem. Mit 16 war ich zum ersten Mal an der Grenze (Nähe Duderstadt) und wähnte mich auf der richtigen Seite des Zaunes. Den Grenzern zeigten wir damals, jugendlich frech und naiv, die Nase. 35 Jahre später muss ich sagen, dass sich vieles im Osten getan hat, dass der Westen viel verbesserte, aber auch vieles für immer zerstörte und das zum Unmut vieler in den östlichen Bundesländern. Bis heute.

Ich habe Verwandtschaft im Osten, mit der ich aber in keinem Kontakt stehe. Ich habe Bekannte und einen Freund im Osten und sehe, wie in den Köpfen immer noch ein Gespenst herumspukt (nicht unbedingt das des Kommunismus!), nämlich dass die 'Wessis' (ostdeutsche Erfindung!) den Osten mehr oder minder brachial vereinnahmten, was viele 'Ossis' bis heute nicht verwunden und überwunden haben. Vieles hat sich natürlich verbessert, doch die 40 Jahre anhaltende Spaltung hat in den Köpfen vieler Ostdeutscher nachhaltig Spuren hinterlassen. Bei der Wiedervereinigung hatte das Volk der DDR keine Ahnung, wie der Kapitalismus funktioniert, sie mussten auf teilweise radikale Weise und oft über Nacht lernen, dass er ein gefräßiges Monster ist, das einen verschlingt, wenn man nicht vorgesorgt hat oder auf der Hut ist. Viele auch rettungswürdige Betriebe wurden damals dennoch 'abgewickelt', wie es hieß, und das spannte den Bogen, der bis heute gespannt zu sein scheint.

Ob die Wiedervereinigung tatsächlich gelungen ist, bezweifle ich. Viele Jungen auf beiden Seiten haben keine Erinnerung mehr daran; für sie ist es ein Deutschland – mit all seinen Sorgen, Nöten und Hoffnungen. Für die älteren aber ist es ein nur teilweise gelungenes, zu rasch vollzogenes Geschichtsereignis, das wie ein Tsunami über alle hereinbrach. Opfer gab es viele. Dennoch denke ich, dass sich ein großer Teil der Ostdeutschen nicht mehr die alten DDR-Zeiten zurückwünscht, bei allem, was sie durch die Wiedervereinigung gewonnen haben.

Politisch aber denke ich, dass diese Wiedervereinigung nicht gelungen ist, dass die einst von Kohl unreflektiert versprochenen 'blühenden Landschaften' aschgrau und verdorrt daliegen. Die erstarkte AfD in vielen dieser Bundesländer zeigt das eindeutig. Mehr denn je. Und das ist beängstigend. Ein Weckruf, den aber die elitären und etablierten Parteien in Berlin einfach nicht hören möchten. Die Folgen werden sich bald zeigen." (Rolph)

Kommentar hinzufügen

Kommentare

Es gibt noch keine Kommentare.